Geocaching & Sightseeing: Das Blockhaus von Éperlecques

Im vierten Teil meiner Artikelserie über die großen Bunker im Pas de Calais stelle ich Euch das Blockhaus von Éperlecques vor. Dieser riesige Bunker war als V2-Abschuss-Basis mit eigener Produktion der Raketen geplant.

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Heute sind dieser Bunker und das Gelände rundherum ein Museum. Kommt mit auf die virtuelle Reise zum Blockhaus von Éperlecques …

Wir starten um neun Uhr morgens in Calais. Es ist der letzte Tag unseres verlängerten Wochenendes. Über die Autobahn benötigen wir bis Éperlecques eine knappe halbe Stunde. Éperlecques liegt in der Nähe von St. Omer.

Unterwegs kaufen wir noch ein Picknick für mittags ein und so erreichen wir das Museum kurz vor zehn Uhr. Vor dem Museum steht ein Ein-Mann-Bunker und …

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… ein deutsches 88er Flak-Geschütz.

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Wir gehen in das Eingangsgebäude: Dort werden die Eintrittskarten verkauft. Ein Erwachsener kostet 10?, was ich als recht teuer empfinde. Zudem werden wir nicht informiert, dass wir auch einen Audio-Guide bekommen könnten – davon erfahre ich erst wieder zu Hause, als ich mir die Webseite des Museums anschaue.

Durch die hintere Tür betreten wir das Museum. Wir beginnen unseren Rundgang an einem Eisenbahnwaggon. In diesen Waggons wurden im Zweiten Weltkrieg die Zwangsarbeiter zu dieser Baustelle transportiert. Im Wagon ist ein Knopf, der eine Audio-Präsentation startet. Fast schon unheimlich – wir bekommen einen vagen Eindruck, wie es den Arbeitern damals ergangen sein muss.

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Der Rundweg ist ausgeschildert. Am Rand des Weges sind Fahrzeuge und Waffen aus der damaligen Zeit ausgestellt. Es gibt einige Informationsstationen, die auf Knopfdruck in der ausgewählten Sprache etwas über die V2 berichten. Wir wählen Deutsch.

An diesen Stationen ist es wichtig möglichst als Erster den Knopf zu drücken, da so ein Audiokommentar schon gerne mal fünf Minuten dauert. Hat der Gast vor uns eine andere Sprache ausgewählt, die wir nicht verstehen, so müssen wir warten, wenn wir denn alle Informationen zu diesem Bunker erhalten möchten.

Wir erreichen das Blockhaus. Es ist riesig! Der heute noch stehende Block hat eine Breite von 40 Metern, eine Länge von 75 Metern und eine Höhe von 28 Metern.

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Zunächst war geplant hier eine V2 Abschuss-Basis zu errichten, die in der Lage sein sollte pro Tag 36 V2-Raketen zu verschießen. Die Basis liegt weit genug von der Küste entfernt, um nicht von Schiffskanonen beschossen zu werden. Jedoch liegt sie in Reichweite der alliierten Bomber, weshalb die Basis als Bunker geplant werden musste. Ursprünglich sollten hier auch die V2-Raketen montiert und der nötige flüssige Sauerstoff produziert werden.

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Geplant war eine Fabrik mit 95 mal 75 Meter und einem über 200 Meter langen verbunkerten Bahnhof als Anbau.

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Diese Anlage konnte jedoch nicht fertig gestellt werden: Am 19. Juni 1944 wurde die Baustelle mit Tallboy-Bomben angegriffen. Der Schaden an den hinteren Gebäudeteilen war dabei so groß, dass danach nur noch der schon fertige vordere Teil als Fabrik zur Herstellung von flüssigem Sauerstoff verwendet werden sollte.

Bei unserem Rundgang um den Bunker kommen wir auch an dem beschädigten Teil vorbei.

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Hier war die gepanzerte Decke noch nicht fertiggestellt, weshalb die bunkerbrechenden Tallboy-Bomben die bereits stehenden Betonelemente in Schutt und Asche gelegt haben.

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Wir stehen hinter dem geplanten Bahnhof und schauen zum Bunker. Auf der Decke der Fabrik klafft ein riesiges Loch. Dort war eine Tallboy-Bombe eingeschlagen. Sie ist mühelos durch die Betondecke gedrungen.

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An dieser Stelle ist wieder eine Informationspunkt mit Audiokommentar. Wieder müssen wir warten bis die Besucher vor uns die Erklärungen in Französisch angehört haben. Derweil schauen wir uns die Tafel an – auf ihr ist dargestellt, wie die Fabrik ursprünglich aussehen sollte. Das rot markierte steht heute noch und wurde fertig bebaut. Grün kennzeichnet die Baustelle, die durch den Bomberangriff so stark beschädigt wurde, dass die Arbeiten eingestellt wurden und blau markiert den verbunkerten Bahnhof, dessen Arbeiten nie begonnen wurden.

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Von der Seite können wir einen Blick in die Fabrik werfen – überall sind gut die Schäden durch die Detonationen der Bomben zu erkennen.

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Dort ist auch ein Bagger ausgestellt, mit dem die Erdarbeiten ausgeführt wurden. Für den Bau dieser Anlage wurde ein eigenes Zementwerk auf der Bausstelle errichtet, um die notwendigen Mengen an Beton  zu produzieren.

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Dann ist es endlich soweit – wir erreichen den Eingang in den Fabrikbunker. Er wird von einer sehr dicken Stahltür geschützt.

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Es ist kühl hier drinnen – aber das kennen wir ja schon von den großen Maginot-Bunkern bei uns in der Nähe. Rechts vom Eingang zweigt ein hoher schmaler Raum ab – an seinem Ende ist die Attrappe einer V2-Rakete aufgestellt.

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In der Fabrik sollten die Raketen montiert, befüllt und durch diesen Raum nach draußen auf die Startplattform bewegt werden. An beiden Seiten des Bunkers gibt es so einen Raum. Wir gehen weiter …

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Über uns steht ein Fahrzeug aus dieser Zeit: ein alter Citroën.

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Dahinter eine Nachbildung einer Tallboy-Bomber. Nur mit dieser Waffe waren die Allierten in der Lage die dicken Betondecken der deutschen Bunker zu knacken.

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Wie biegen rechts ab – es geht eine kleine Rampe hinauf.

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Wir erreichen eine kleine Halle. Hier wird ein Film über den Bunker gezeigt. Wieder müssen wir warten bis wir den Knopf in unserer Sprache drücken können.

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Wir erfahren, dass der verbliebene Bunker zur Flüssigsauerstoff-Fabrik umgebaut wurde. Daher wurden auch die Öffnungen, durch die im ursprünglichen Plan die V2 nach draußen fahren sollten, verschlossen. blog-183.jpg

Nach dem Film schauen wir uns noch etwas in der Halle um. An der Wand ist eine Karte mit den Standorten der Abschussplätze der deutschen Vergeltungswaffen V1, V2 und V3.

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Wir verlassen den Bunker auf den gleichen Weg, den wir gekommen sind.

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Auf der Vorderseite des Bunkers ist eine V1 samt der notwendigen Startrampe ausgestellt. Im Gegensatz zur V2 ist diese Waffe wesentlich langsamer geflogen und konnte so von alliierten Flugzeugen abgeschossen oder zum Absturz gebracht werden.

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Auf der Vorderseite schauen wir uns die früheren Öffnungen für die V2-Raketen an, die im Zuge des Umbaus zur Flüssigsauerstoff-Fabrik verschlossen wurden. In der Mitte sehen wir noch die Basis für den Kontrollturm, der ebenfalls nie fertiggestellt wurde.

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Noch ein letzter Blick zurück und wir spazieren in Richtung Ausgang.

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Insgesamt dauert unsere Runde durch das Museum gute eineinhalb Stunden. Mir hat es hier sehr gut gefallen. Ich habe bisher noch nie ein solch großes überirdisches Bauwerk aus dem Zweiten Weltkrieg gesehen. Über das, was hier geplant war, fühle ich mich gut informiert. Die Darstellung der Geschichte dieses Bunkers mit den Audio-Stationen finde ich sehr gelungen.

Die aktuellen Öffnungszeiten und Eintrittspreise findet Ihr auf der Webseite des Museums “Blockhaus von Éperlecques“.

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Wie hat Euch dieser virtuelle Rundgang gefallen? Wie immer freue ich mich über Eure Kommentare unter diesem Artikel!

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Falls Euch dieses Thema interessiert, dass schaut doch mal in den Artikel “Geocaching & Sightseeing: Die großen Bunker im Pas de Calais“, dort findet Ihr alle Links zu verschiedenen Bunkern, die ich Euch vorstellen möchte.

Saarfuchs

Jörg (Saarfuchs) betreibt Geocaching seit 2008. Sein besonderes Interesse galt zunächst Mysteries, dann den T5-Caches und mittlerweile den Lostplaces. Zu seinen Hobbies gehören Reisen, Fotografieren, Bergwanderungen und Hochtouren. Er geht weltweit auf Dosen-Suche und berichtet in seinem Blog regelmäßig mit vielen Fotos über sein “Geocaching” und damit verwandte Themen.

2 Kommentare:

  1. Hallo Saarfuchs,
    ich stimme Deiner Beschreibung voll zu. Eine “sehr beeindruckende” Anlage die die Deutschen als Abschussfabrik der V1 und V2 auf London konzipiert hatten.
    Wir haben im Rahmen des Mega “Geonord” in einer speziellen beleuchteten Nachtführung mit Erläuterungen von Führern teilgenommen. Da das Orgateam eine grosse Gruppe organisiert hatte, haben wir nur 5 € bezahlt.
    Leider wurde in keinerlei Hinsicht auf ausländische Teilnehmer Rücksicht genommen und die Führung ausschließlich in Französisch angeboten und keine Frage nach anderen Sprachen gestellt. Auch fehlte der Hinweis nach Audio-Guides.
    Da ich Französisch recht gut beherrsche konnte ich ungefähr die Hälfte verstehen und meinen deutschen Mitcachern übersetzen.

    Insgesamt ein sehr lohnenswerter Besuch und der Hinweis auf die fremdsprachliche Audiguides ist für nachfolgende Besucher wichtig.

    VG

    WoIstBehle

    PS: Das Bauwerk “La Coupole” http://www.lacoupole-france.com/ ist aus meiner Sicht auch sehr sehenswert und stellt die Grauen der Kriege passend dar. Fremdsprachliche Audio-Guides werden angeboten.

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